20 Juni Nachruf von Luisa Uhlig
Lieber Onkel,
dein Tod stand schon lange bevor er eingetreten ist im Raum.
Du sprangst ihm so oft von der Schippe, dass ich glaubte vorbereitet auf dein Sterben zu sein.
Jetzt bist du tatsächlich tot und alles ist ganz anders. Du fehlst mehr, als ich es jemals erwartet hätte.
Kurz bevor du starbst, haben wir ein Gespräch geführt. Du hattest Angst davor, zu sterben.
Angst davor, vergessen zu werden. Das Sterben hast du bereits hinter dir und die Angst davor vergessen zu werden,
möchte ich dir ein Stück weit nehmen.
Du hast einen Fußabdruck auf der Welt hinterlassen, auch in meinem Wesen – und zwar in vielen Facetten.
Ich weiß, dass Wissen eines deiner Lebenselixiere war. Mit unermüdlichem Eifer hast du es in dich aufgesaugt.
Deshalb möchte ich das für mich bedeutungsvollste Wissen, was du in mir gepflanzt hast teilen.
Weißt du, was schön ist? Diese Lektion hat nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern viel mehr mit Menschlichkeit.
Ich weiß, dass du das gerne gehört hättest.
Du hast mir gezeigt, dass es okay ist, so zu sein, wie ich bin.
Es ist okay dreist zu sein, verquere Ansprüche zu haben, frech zu sein, zu fordern und den Platz einzunehmen,
der einem richtig erscheint. Ich muss mich keinen Regeln und Normen unterwerfen, die ich nicht verstehe oder unterstütze.
Ich muss gar nichts.
Und wenn ich ein Zimmer mit Meeresblick, ohne Treppen und Geräusche, dafür aber mit extra weicher Matratze haben möchte
und dazu ein Thunfischsteak feinster Qualität, dann muss ich mich nicht für meine unbescheidene Art schämen,
sondern kann stolz darauf sein, dass ich den Mut habe entfesselt zu sein und dazu zu stehen, dass ich alles will was geht – und noch mehr.
Danke, Gerald.
Danke dafür, dass du mir Freiheit vorgelebt hast.
Du hast deine Spuren hinterlassen.
Deine Nichte
Luisa
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